Liebes Tagebuch,
die Welt dreht sich wieder in ihrer normalen Geschwindigkeit. Wieder sind es wir, die auf der Strecke bleiben, wir, die uns vergessen und das, obwohl uns auch heute noch die Decke auf den Kopf fällt.
Bald ist es ein Jahr her, dass die Zeit, wie wir sie kannten, verging. Kurz darauf wurden wir vorsichtiger, umsichtiger und lernten, besser mit uns selbst umzugehen.
Ich selbst hatte fast sechs Monate, in denen es mir unglaublich gut ging. Keine nervigen Heulkrämpfe, keine Panikattacken, keine Momente der Eifersucht. Vielleicht war ich mal traurig, doch das verging innerhalb von wenigen Stunden.
Ich war glücklich und konnte es richtig genießen. Ich begann meinen Sport, war jeden Morgen laufen, nahm achtsam meine Umgebung wahr und erfreute mich an jeder neuen Blüte an den Sträuchern.
Doch dann war sie vorbei, die Phase des ersten Lockdowns. Die Zeit, die scheinbar liegen blieb, musste aufgeholt werden. Wir mussten wieder zu Maschinen werden, die härter, stärker und kräftiger arbeiteten als je zuvor.
Die Kraft, die ich mir über die wenigen Monate aufbaute, reichte nicht lange aus. Mir ging es immer schlechter. Menschen, von denen ich glaubte, sie als meine zweite Familie zu besitzen, zeigten ihr wahres Gesicht und die Enttäuschung tat so unglaublich weh. Ich begann, sogar an den Menschen zu zweifeln, die immer für mich da waren, die mir niemals etwas taten und es auch niemals tun würden.
Daher beschließe ich hier und heute, der Zeit den Vogel zu zeigen. Ab heute wird die Zeit sich wieder nach mir richten. Ich werde sie nicht mehr als mein Feind, sondern als Verbündeten ansehen und aufhören, zu rennen.
Klar wird es Momente geben, in denen ich schneller gehen muss, diese bleiben nicht aus, doch in der meisten Zeit werde ich gehen und meine Umgebung wieder achtsam betrachten.
Ich entschleunige mich selbst und freue mich schon auf den Frühling, dann, wenn es nach dem Aufstehen wieder hell ist und die Sträucher und Bäume neue Blüten tragen. Dann, wenn ich das Leben wieder beobachten kann, mich in der Sonne auf ein Feld setzen und einfach 20 Minuten dort sitzen bleiben kann. Noch einen, maximal zwei Monate. In dieser Zeit kann ich mich vorbereiten, mich an den unzähligen Fotos des letzten Jahres erfreuen und dann mit gehobenem Kopf hinausgehen.
Wirst auch du die Entschleunigung suchen?
Kya
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